Pfingstspaziergang durch die Wilde See [07.06.23]
Pfingsten ist Nacktwandertag, das ist schon 20 Jahre so. Früher war ich oft im Rothaargebirge dabei, inzwischen erscheinen mir die 16 km durchaus als anspruchsvoll. So bin ich dieses Jahr darauf verfallen, statt der Pfingstwanderung nur einen Pfingstspaziergang in der „Wilden See“ zu machen. Putzblauer Himmel, ganztägig Sonnenschein und Temperaturen bis 24° boten einen passenden Rahmen.
1(15) Eine Straße und ein paar Wege heißen genauso wie die Gegend: Wilde See
Die „Wilde See“ ist ein überschaubares Areal im südlichen Münsterland und liegt quasi vor meiner Haustür: Mit dem Fahrrad zu erreichen, das man irgendwo abstellt, um dann ein paar Schritte zu Fuß zu gehen, zu joggen oder sich zu „trimmen“.
Denn auf dem Weg zur Wilden See komme ich an einer historischen Stätte vorbei: In den 1970er Jahren wurden in vielen Städten und Gemeinden Trimm-Dich-Pfade gebaut mit oft 10 bis 15 Stationen, an denen Geräte für verschiedene Kraft- und Gymnastik-Übungen aufgebaut waren. Eine Zeitlang war die „Trimm-Dich“ Bewegung ein absoluter Trend, und ich selbst traf mich damals mit Kommilitonen oder mit ein paar Teens und Twens aus der Nachbarschaft zum gemeinsamen Lauf- und Trimm-Training. In dieser Tradition stellte ich heute zu Beginn meines Pfingstspaziergangs meinen Gleichgewichtssinn auf die Probe. Zweimal ging's daneben! Zwei Spaziergänger konnten sich das Lachen nicht verkneifen. „Soll ich Sie mal an die Hand nehmen?“ bot mir einer der beiden sogar Hilfestellung an. Aber das wollte ich natürlich nicht: „Nein, vielen Dank! Ich will das schon allein schaffen!“ Der dritte Versuch klappte dann...
Nach anfänglichem Run auf die Trimm-Dich-Pfade wurde die Nutzung in Laufe der Zeit geringer, die Geräte verfielen mehr und mehr. Die meisten mussten irgendwann aus Sicherheitsgründen abgebaut werden, damit sich an den maroden Geräten niemand verletzte. So blieb auf „meinem“ Pfad nur einer der Baumstämme übrig, auf denen man balancieren kann wie auf einem Schwebebalken - der andere war wackelig und morsch geworden und wurde abgebaut. Viele andere Stationen sind ganz verschwunden. Aber wenn ich an einer der verbliebenen vorbei komme, probiere ich immer, ob ich damit noch etwas anfangen kann...
3(15) Pfähle im Boden - für Bocksprünge stehen sie zu eng beieinander - vielleicht ein Slalomkurs?
Übrig geblieben ist auch eine Station mit im Boden steckenden Pfählen. Was man damit machen soll, war mir lange nicht klar. Bis ich auf
Runners World auf ein Bild gestoßen bin, auf dem zwei Frauen sich auf solchen Pfählen mit den Händen stützen und Streckübungen mit Körper und Beinen machen. Das sieht ganz schön anspruchsvoll aus - wohl eher nichts für mich. Ich habe auch einmal jemanden gesehen, der auf einem der Pfähle einen Kopfstand machte - aber Kopfstand oder gar Handstand sind auch nicht mein Ding.
Runners World schreibt: „Trimm-dich-Pfade sind längst wieder im Trend“. und auf
Trimm-dich-pfad.com wird sogar gesagt: „In letzter Zeit gewinnen die Vita Parcours durch ihre geniale Kombination aus Dauerlauf, Gymnastik, Turnen und Kraftsport immer mehr an Beliebtheit, da viele die frische Luft und die Natur schätzen, als im muffelnden Fitnessstudio zu trainieren.“ Und unter „Standorte“ findet man eine Karte mit allen bekannten Trimm-Pfaden - sowohl neu gebaute wie auch alt bewährte (oder gar nur die Reste, die der Zahn der Zeit von früherer Pracht übrig gelassen hat...).
Nach so viel werbender Aufmunterung fasste ich den Entschluss, fast 50 Jahre nach meinem früheren Trimm-dich-Fleiß einmal auszuprobieren, wie naturistenfest die Anlage heutzutage ist. Den Trimm-Pfad vor meiner Haustür musste ich nicht lange suchen. Ein Stück des Trimm-Pfades ist die steilste Strecke der „Beckumer Berge“ mit 25% Steigung, die ich jedes Jahr im Frühjahrs-Trainig als Vorbereitung für die Wandersaison nutze...
Auf zum Kraft-Training: Stämme stemmen!
4(15) Statt Hanteln heben: Baumstämme stemmen
Von den ursprünglich vier unterschiedlich dicken Baumstämmen, die man als Krafttraining in die Höhe stemmen konnte, sind noch zwei vorhanden.
Ich nutze sie jedesmal, wenn ich hier vorbeikomme. Der dünnere Stamm wiegt 22 kg, ihn schaffe ich am Anfang der Saison 6-mal, am Ende der Saison 8- bis 10-mal.
Der dickere bringt mehr als 25 kg (weiter als 25 reicht meine Kofferwaage nicht), ihn schaffe ich 4- bis 6-mal. Naja, darüber wird jeder, der zu Haus jeden Morgen seine Hanteln stemmt, nur lächeln können...
Mit einer Reckstange könnte ich zwar etwas anfangen, aber: An Aufschwung ist nicht zu denken, und auch beim Klimmzug-Versuch gebe ich kein Bild ab, das für die Öffentlichkeit geeignet ist...
8(15) Ans Reck trau ich mich nur 'ran, wenn keiner zuguckt
Jetzt vergessen wir aber den Trainings-Stress und wenden uns entspannt der Natur zu. Das satte Maigrün im warmen Sonnenschein lässt die Schritte durch den Wald zum reinen Vergnügen werden...
Irgendwo im Grün verstecken sich mehrere talentierte Sänger.
Auch die Feldlerche gibt es hier noch. Sie singt ihr fast unendliches Lied unterbrechungsfrei im Fluge, ganz hoch über den Feldern. Auf den meisten Feldern ist sie ausgestorben, weil die Landwirtschaft ihre Bodennester zerstört und ihre Insektennahrung vergiftet.
Was wäre eine „Wilde See“ ohne Wasser? Neben vier Bachläufen mit Neben-Gräben gibt es Froschteiche. Hier geht es im Mai hoch her, was man weithin hören kann.
Mit den Pausen zur Naturbeobachtung und die Aufnahmen zwischendurch sind auch bei wenigen Kilometern Strecke drei Stunden vergangen. Also wird es Zeit, den Pfingstausflug abzuschließen: Zu Haus wartet der Tee.