Zur Strafe nackt an den Felsen gefesselt - Zeus lieferte das Vorbild für den Pranger
Der Begriff »Nacktheit« beschreibt keineswegs eindeutig den Sachverhalt der Kleiderlosigkeit. Vielmehr wird der Begriff zeitlich und kulturkreis-bezogen mit durchaus unterschiedlichen Bedeutungen und Inhalten belegt. Insbesondere sind die mit dem Begriff Nacktheit verbundenen Assoziationen höchst unterschiedlich. So ist es in historischen Dokumenten oft unklar, inwieweit Nacktheit etwa eine Konnektion zu Reinheit, Edelmut, Sexualität, Armut, Sünde oder Schande besaß.
Pranger (Wang). Hier wurden Straftäter »angeprangert«. Die Bevölkerung hatte dann ein oder zwei Stunden lang die Möglichkeit, sie zu schmähen und zu verspotten.
Von »nackt« wurde im Mittelalter auch schon dann gesprochen, wenn die Menschen nur noch ein Hemd oder etwa eine Schambinde trugen. Das gilt auch für die gängigen Strafen, »nackt an den Pranger gestellt« oder »nackt durch die Stadt getrieben« zu werden - auch hier verblieb den Bestraften meist noch ein (Unter-) Hemd am Leib. Wir kennen heute noch die Steigerungen »nackt und bloß« (die insbesondere die Blöße der Genitalien einschließt) oder »splitternackt« (was das Fehlen jeglicher Bedeckung meint).
Altes Rathaus Hannover. Steinfratze neben dem Pranger
Öffentliche Strafe: Der gefesselte Prometheus. Dreißigtausend Jahre lang blieb Prometheus an den Fels geschmiedet, bis Herakles auf seinem Weg zu den Hesperiden vorüber kam. Aus Mitleid tötete er den Adler mit einem seiner unüberwindlichen Pfeile. Den Prometheus löste er vom Felsen und stellte an seine Stelle den Kentauren Chiron, der freiwillig in den Tod gehen wollte. Prometheus musste allerdings weiterhin einen eisernen Ring mit einem Felsstück tragen, um Zeus Genugtuung zu geben.
Das Erbe Roms: Von nackten Kreuzigungen bis zum Wiederaufleben der Badehaus-Tradition
Nacktheit wurde auch im alten Rom bereits als strafverschärfende Maßnahme gegenüber Straftätern eingesetzt. Neben nackten Kreuzigungen ist auch der Tod des heiligen Laurentius überliefert: Er wurde am 10. August 258 nackt auf ein Gerüst gelegt und bei lebendigem Leibe über dem Feuer zu Tode gegrillt. Er hatte sich geweigert, dem römischen Kaiser Valerian den Schatz der Kirche auszuliefern, und diesen stattdessen an die Armen und Kranken verteilt - so wie es ihm der zuvor hingerichtete Papst Sixtus aufgetragen hatte.
St. Laurentius nackt über dem offenen Feuer
Aus dem Römischen Reich sind uns die - nach Geschlechtern getrennten - Badehäuser überliefert, in denen aber wohl nur zum Teil nackte Badekultur praktiziert wurde. Mit dem Untergang des Römischen Reiches verschwand auch die Badekultur, und erst ein halbes Jahrtausend später brachten die heimkehrenden Kreuzritter die Praxis der Badehäuser aus dem östlichen Mittelmeerraum wieder nach Mitteleuropa zurück. Mit den Badehäusern entwickelte sich der neue Berufsstand der »Bader«.
Wenn heute ein Gast nach einer etwas längeren Anreise eintrifft, dann bietet man ihm an, sich die Hände zu waschen, etwas zu trinken zu reichen oder ggf. zu essen. Dies hat eine uralte Tradition. Zu Zeiten, als die Wege noch unbefestigt und staubig waren, als man zu Fuß oder zu Pferd reiste, bestenfalls in einer Kutsche, da dauerten Reisen oft lange, Tage oder Wochen, und man kam immer staubig und verschwitzt am Ziel an.
Von der Antike bis zur Neuzeit bot man daher dem eintreffenden Gast zu allererst - noch vor einer Stärkung - ein Bad an, was der Reisende in aller Regel auch dankend gern annahm. Der Kessel mit heißem Wasser stand sowieso auf dem Herd, es wurde in den Badezuber gegossen, mit kaltem Wasser temperiert, vielleicht sogar noch mit ein paar Duftnoten aufgebessert.
Sodann konnte sich der Gast entkleiden und in die wohltuenden Fluten steigen. Nacktscham beim Bade gab es nicht. Man war seit Jahrhunderten, vielleicht Jahrtausenden daran gewöhnt, in Gegenwart anderer Menschen zu baden - besaßen doch die meisten Häuser nur einen kombinierten Wohn-Schlafraum mit Kochecke, und natürlich fand auch das Bad in diesem (einzigen) Raume statt.
Es gehörte wohl zu den selbstverständlichen Gepflogenheiten, dass sich Mitglieder des jeweils anderen Geschlechts von dem Badenden entfernt hielten, aber der Gastgeber / die Gastgeberin assistierten beim Bade mit der Darreichung von Ingredienzen, der Dienstleistung, den Schöpfkrug mit Badewasser über dem Rücken des Badenden zu entleeren, oder ihm am Ende des Bades ein Trockentuch zu reichen.
Entsprechend dieser Badetradition wurde auch das Baden im Fluss oder am Meer nackt ausgeübt - Nacktscham beim Baden gab es nicht. Erst in der beginnenden Neuzeit änderte sich das. Jean Claude Bologne hat in seinem Buch ↗ Nacktheit und Prüderie das einführende Kapitel unter dieses Thema gestellt. Nachfolgend zwei Leseproben.
Leseprobe (neuer Tab): ↗ Nacktbaden Frankfurt
Leseprobe (neuer Tab): ↗ Nacktbaden Paris
Leseprobe (neuer Tab): ↗ Nacktbaden Frankfurt
Leseprobe (neuer Tab): ↗ Nacktbaden Paris
Zwischen Mittelalter und Neuzeit: Hexenverfolgung und Folter
Eines der finstersten Kapitel in der Geschichte Europas ist die Zeit der Hexenverfolgung. »Immer fester wurzelte der Glaube an Bündnisse mit dem Bösen, aber erst die Inquisitoren des 13. Jahrh. wussten diesen den armen Hexen zu vermählen und erbauten eine förmliche Teufelslehre. Den ersten Hexen, wie es heißt 1230-1240 in Trier, wurde vorgeworfen, sich in Kröten verwandelt zu haben...«, weiß die Brockhaus-Enzyklopädie. Ab 1275 ist gesichert überliefert, dass die Bestrafung der Hexen meist durch Verbrennung erfolgte. Vielfach wurden dazu die »Hexen« nackt auf den Scheiterhaufen gefesselt.
Hexenverbrennungen erfolgten oftmals nackt
Über die Verhöre weiß die Brockhaus-Enzyklopädie zu berichten, dass zunächst den Verdächtigen nur vorab mit drastischen Worten ausgemalt wurde, welche Schmerzen sie zu erleiden haben würden, wenn sie nicht gestehen (Verbalterrition). Falls das nichts fruchtete, folgte die Realterrition: »Bei der Realterrition wurde der/die Verdächtige entkleidet, ihm auch die Werkzeuge wirklich angelegt, doch kein Schmerz damit zugefügt.« Erst wenn auch diese Demonstration nicht zu dem gewünschten Ziel eines Geständnisses führte, »wurde die Folter des Morgens sehr früh in einem entlegenen Gemach vorgenommen und eine Stunde lang fortgesetzt...«
Brockhaus: Auch zur Folter wurden die »Verdächtigen« meist entkleidet
Entkleidung einer »Hexe« während des Verhörs durch Inquisitoren
Kaltwasserprobe einer »Hexe«
Thomasius und Voltaire waren prominente Wortführer, die die Unzuverlässigkeit erpresster Aussagen und die daraus folgende Nutzlosigkeit von Folter anprangerten. Die Folter wurde in Frankreich mit der Revolution 1789 abgeschafft, in Preußen schon 1740 durch Friedrich den Großen, in Hannover erst 1822, in Coburg-Gotha 1828.