© Leopoldmuseum Wien
Nackte Männer in der Kunst
NACKT ZU DEN NACKTEN MÄNNERN lautete die Einladung des Leopold-Museums Wien zu den vier nackten Führungen am 18. Februar 2013. Insgesamt fanden sich fast 300 nackte MuseumsbesucherInnen im Alter zwischen 20 und 70 Jahren ein, darunter rund 15 Prozent Frauen.
Museum einmal anders
Nackt durch Museum schlendern, dabei Kunst genießen und verstehen: Das war mitten im Februar im Wiener Leopold-Museum angesagt. »Nackte Männer in der Kunst« hieß die Ausstellung, die hochkarätige Exponate mit Darstellungen nackter Männer vom alten Ägypten bis zur Gegenwart darbot, einer Zeitspanne von 6000 Jahren.
Klassische Anmut
Unter all den Bildnissen nackter Männer hatten sich mehrere Gruppen von Naturisten eingefunden, die sich ebenfalls nackt durch die Ausstellung führen ließen. So fühlte man sich nackt am richtigen Ort und sah sich der starren Pose eines ägyptischen Herrschers nicht verkleidet sondern auf Augenhöhe gegenüber, oder man nahm selbst die verführerisch graziöse Haltung eines bronzenen, griechischen Jünglings ein - so gut man konnte, denn die idealisierte Eleganz und die Anmut klassischer Statuen werden durch lebende Menschen selten erreicht.
© Lentos Kunstmuseum Linz
Dass gleichzeitig mit der Wiener Ausstellung im nur 150 km entfernten Linzer Lentos Kunstmuseum die Ausstellung »Der nackte Mann« mit einer ganz ähnlichen Zielsetzung Erfolge feierte, spricht für die Relevanz des Themas: Nacktheit ist aktuell und wird thematisiert, vielleicht sogar als Neben-Erfolg der emanzipatorischen Bewegung eben auch die männliche Nacktheit, und Nacktheit ist präsent: In der Kunst und im täglichen Leben. Allah sei Dank: 6 Millionen Jahre nackte Menschheitsgeschichte waren nicht vergebens. Die paar tausend Jahre, in denen die Leute als Rang- und Statussymbole oder zur Verschleierung Klamotten und gar deren perverseste Inkarnation: Uniformen trugen, sollte die Menschheit möglichst schnell überwinden.
Studium der Fußball-Idole
Beide Ausstellungen machen klar, dass die darstellende Kunst zu allen Zeiten den weiblichen Körper präferiert hat, aber Bildnisse nackter Männer daneben auch immer zu finden waren. Mit dem neuen Erwachen von Naturbewusstsein und der Erfindung des Naturismus um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert, vor allem aber durch die industrielle Verbreitung in Werbung und illustrierter Presse nahmen die Darstellungen nackter Menschen dann insgesamt stark zu - wenn auch dabei die Kunst vermehrt hintan blieb. Aber auch heute noch findet man in allen Bereichen weit mehr Frauenkörper als Darstellungen nackter Männer.
Beide Ausstellungen vermittelten in einer qualifizierten Führung diese Entwicklung von der frühen Kunstgeschichte bis hin zur Jetztzeit, die immer wieder von wechselnden Phasen größerer künstlerischer Freiheit oder aber massiver Strenge bezüglich der Darstellung von Nacktheit geprägt wurde. Im modernen Naturismus kann Nacktheit endlich wieder selbstverständlich erfahren und gelebt werden, allerdings bedrohen etwa die aus den USA beständig herüber schwappende Prüderie oder auch religiöse Bekleidungsvorschriften diese zurück gewonnene Natur-Freiheit des Menschen noch immer.
Unser Führer hätte ohne Kleidung seinen Text vergessen - sagt er.
Zum Schluss wollten alle ihre Garderobe wieder haben
Die durchaus skeptische Kritik der Süddeutschen Zeitung an der Linzer Ausstellung, die das Bedauern zum Ausdruck bringt: "Keiner (der Besucher) geht dem spontanen Impuls nach, seine Kleider abzustreifen." haben wir mit nackten Museumsbesuchen in Linz und Wien immerhin entkräftet und den einst von Sigmund Freud beschriebenen, "modernen Erwachsenentraum" ausgelebt.
Die Spannbreite der Exponate in Linz wie in Wien wird durch die Süddeutsche ebenso treffend beschrieben: "So geht man postfreudianisch gestimmt heraus und weiß, dass der Mann ohne Kleider beides ist: eine kulturbildende Kraft und eine Witzfigur." Die etwas phallus-lastige Linzer Ausstellung gab wohl den Anlass zu dieser zwiespältigen Einschätzung. Wir Naturisten nehmen uns das jedoch nicht an: Wir sind schlicht Menschen in der bewussten Tradition von mehreren Jahrmillionen nackter Menschheitsgeschichte.
Links zu anderen Berichten über den nackten Museumsabend
Auch Fußball wäre nackt viel fairer: Keiner könnte den Gegner am Trikot festhalten!