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Kunstwerke zu Gast bei Kunstwerken

Menschliche Körper sind Kunstwerke. Seit Urzeiten haben die namhaftesten Künstler dieser Welt sie ohne Unterschied nach Geschlechtern in ihrer Natürlichkeit, in ihrer Unschuld festgehalten. Adam und Eva waren nackt im Paradies. Wer war die Schönste in der Griechischen Götterwelt, Aphrodite, Hera oder Athene? Das in der Kunst, der Malerei, der Literatur weit verbreitete „Urteil des Paris“ setze Aphrodite die Krone auf. Wer kann sich schon vorstellen, wie die Schönste, die ⇗ „Schaumgeborene“, in einem Badeanzug aus dem Meer entsteigt?

Marble statue of Aphrodite, Roman (MET, 52.11.5) Foto: metmuseum.org. Via wikimedia.com available under the Creative Commons CC0 1.0
Marble statue of Aphrodite, Roman (MET, 52.11.5) Foto: metmuseum.org. Available under the Creative Commons CC0 1.0

Bei den antiken „gymnastischen Spielen“ in Olympia galt für die Teilnehmer striktes Bekleidungsverbot. Teilnehmen durften aber nur Männer.

Sprinter - abgebildet auf einer Amphora. Foto: Ricky Bennison. Via wikimedia.com available under the Creative Commons CC0 1.0
Sprinter – abgebildet auf einer Amphora. Foto: Ricky Bennison. Via wikimedia.com available under the Creative Commons CC0 1.0

Im Laufe der vielen Jahrhunderte veränderte sich das Weltbild. Die menschlichen Körper wurden verhüllt, menschliche Haut aus der Öffentlichkeit verbannt. Nacktheit wurde nicht geduldet, nicht einmal toleriert. Der „Torso von Trier“ mag Beispiel dafür sein.

Torso von Trier - Deep Link zum Rheinischen Landesmuseum
Torso von Trier – Deep Link zum Rheinischen Landesmuseum. Foto: Rheinisches Landesmuseum Trier

Die nackte Götterstatue der Venus stand der Überlieferung zufolge seit dem 16. Jahrhundert nahe der Klosterkirche St. Matthias vor Trier. Einheimische und Wallfahrer bewarfen das „Götzenbild“ mit Steinen und verstümmelten es auf diese Weise bis zur Unkenntlichkeit. Zur Website des ⇗ Rheinischen Landesmuseums.

Wer kennt sie nicht, die Badekarren, die ins Meer gezogen wurden, um zu verhindern, dass Mann oder Frau einen Blick auf ein Stück Haut des anderen Geschlechts werfen konnten?

Trotz dieser anderen Moralansichten wurde der Menschliche Körper aber weiter als faszinierendes Kunstwerk gesehen. Nahezu zeitgleich mit der Zerstörung der Venus in Trier entstanden um 1512 Michelangelos herausragende Kunstwerke: Die nackt vor dem Schöpfer stehende Eva – und nackt ist sie auch nach dem Sündenfall bei der Vertreibung aus dem Paradies – sind die herausragenden Kunstwerke in der Sixtinischen Kapelle in Rom.

Vertreibung aus dem Paradies - Deep Link zu wikimedia
Vertreibung aus dem Paradies – Deep Link zu wikimedia

Im ⇗ „Selbstbildnis als Akt“ (1499) zeigt Albrecht Dürer jedes Detail seines Körpers, – ohne Feigenblatt. Vermutlich zielt diese Federzeichnung auf die Darstellung der natürlichen körperlichen Schönheit ab. Ganz in diesem Sinne hatte das LWL in Münster (Westf.) jetzt seine Ausstellungspforten einmal nur für nackte Besucher geöffnet. Mehr als 100 kamen mit zum Teil langer Anreise zur Ausstellung des Museums mit dem Titel „Nudes“. Natürlich nackt. „Nackte Kunstwerke zu Gast bei Nackten Kunstwerken“.

Jeder Körper ist schön, in der Natürlichkeit, in der die Besucherinnen und Besucher die Ausstellungsräume mit Leben erweckten, ebenso, wie die dargestellten Kunstwerke aus den verschiedenen Epochen und Kunstrichtungen.

Jeder Körper ist schön. Foto: Klaus
Jeder Körper ist schön. Foto: Klaus

„Der unbekleidete menschliche Körper gehört zu keinem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte. Er ist ewig und die Menschen aller Epochen können ihn mit Freude betrachten.“ (Auguste Rodin)

Venus, in der Griechischen Götterwelt die (auch hier noch immer so gesehene) Göttin der Liebe und der Schönheit.

Das lesende Mädchen (Theodor Roussel 1847-1927. Foto: Klaus)
Das lesende Mädchen (Theodor Roussel 1847-1927). Foto: Klaus

In der 1970er Jahren veränderte sich der Blick auf den Körper. Themen wie Schönheit, Gender oder Diversität werden unter neuen Gesichtspunkten bewertet. In der Kritik stehen gesellschaftliche Normen, die vorschreiben, wie Menschliche Körper auszusehen haben.

Der moderne Akt benötigt keinen erzählerischen Kontext mehr. Der Körper wird zur Versuchsfläche für formale Experimente.

Danke an das Team aus den Reihen der Westfälischen Naturistentage (WNT), die ihre Zeit in die Vorbereitung und Begleitung der Ausstellung und deren Organisation verwendet haben. Danke auch an die erstaunlich große Anzahl „Lebender Kunstwerke“. Bitte greift das Thema auf, wann immer sich die Gelegenheit dazu ergibt. Das Interesse ist offensichtlich groß, das hat sich in Münster gezeigt.
– Klaus

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103 nackte Besucher im LWL-Museum

Kunst im LWL Museum Münster

6 Fotos im Artikel

Die Ausstellung „Nudes“ im LWL-Museum Münster für Kunst und Kultur bot Naturisten und Nudisten am 27. Januar 2024 die Gelegenheit zur Erfahrung eines kleiderfreien Kunstgenusses.

Schon vor 9 Jahren hatte das Museum während der ⇗ Ausstellung „Das nackte Leben“ ein ähnliches Event ermöglicht – damals nutzten 61 Besucher die Option, sich mit den Ansätzen dieser Kunst-Thematik vertraut zu machen – etwa zehn der damaligen Teilnehmer waren diesmal wieder dabei.

1(6) Die Garderobe war im ersten Stock, der Aufstieg zur Ausstellung erfolgte bereits von Kleidern befreit
1(6) Die Garderobe blieb im ersten Stock, der Aufstieg zur Ausstellung erfolgte bereits von Kleidern befreit. Foto: Helmut

Zu Beginn erläuterte Museumsleiter und Kunsthistoriker Dr. Arnold den Grund, warum für die Ausstellung der englische Begriff „Nudes“ beibehalten wurde: Dieses Wort wird im Gegensatz zu anderen Nacktheits-Begriffen speziell für die künstlerische Auseinandersetzung mit der Nacktheit verwendet, und genau über dieses Thema wolle die Ausstellung eine thematisch breit gestreute Information vermitteln.

2(6) Modern in Stil und Sujet: Théodore Roussels „Lesendes Mädchen“ aus dem Jahr 1886/87 nimmt neusachliche Züge der Zwanzigerjahre vorweg (Quelle: FAZ)
2(6) Das „Lesende Mädchen“ wurde zur Ikone der Ausstellung. Foto: Wuselig via wikimedia.com per Creative Commons CC0 1.0

Die Ausstellung »Nudes«, veranstaltet in Kooperation mit der Tate London, beleuchtet den historischen künstlerischen Akt, intime und moderne Aktdarstellungen sowie surreale Körper und politisch aufgeladene und fragile Darstellungen nackter Körperlichkeit.“ (Quelle: ⇗ LWL-Website)

Eine Ausstellung, die sich apodiktisch „Nudes“ nennt – und damit die semantische Trennung von „Akt“ und „Nacktbild“ im Deutschen aufgibt –, zieht die Erwartung auf sich, eine breite Geschichte der Gattung zu erzählen. Diese Erwartung enttäuschen die Kuratoren des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster nicht, im Gegenteil: Mit größtenteils zum ersten Mal in Deutschland gezeigten Werken aus der Londoner Tate gewähren sie einen thesenreichen und bravourösen Zugang zur Kunstgeschichte des Nacktseins.“ (Quelle: ⇗ Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ+-Artikel)

3(6) Solch grausige Szenen werden ihren Schrecken nie verlieren - wie ohnmächtig fühlt man sich so der Gewalt ausgeliefert, wenn Nacktheit Teil der Peinigung ist!
3(6) Wie ohnmächtig fühlt man sich so der Gewalt ausgeliefert, wenn Nacktheit Teil der Peinigung ist! Foto: Helmut

Für die nackten Besucher bot das Kunsterleben ohne Kleidung die seltene Gelegenheit, sich selbst viel intensiver in die dargestellten Personen „hineinzufühlen“ und nachzuempfinden, was die Künstler und ihre Modelle mit der Situation und Pose der dargestellten Menschen ausdrücken wollten. Q

5(6) Ein wichtiges Thema war die Präsenz dunkelhäutiger Menschen in der nackten Kunst.
5(6) Ein wichtiges Thema war die Präsenz dunkelhäutiger Menschen in der nackten Kunst. Foto: Helmut (Gemälde geblurt)

Die Kunstvermittler des Museums (unter den vielen Besuchern leicht an ihrer Kleidung zu erkennen) unterlegten gern und ausführlich weitere, erhellende Einzelheiten zu den Kunstwerken und den Künstlern.

6(6) Nackte Männer sind vergleichsweise selten in der Kunst - ein Anlass, die provokante Position des „Paul Rosano, liegend“ (von Sylvia Sleigh, 1974) einmal auf dem Museums-Fußboden nachzustellen. Foto: Helmut (Gemälde geblurt)
6(6) Nackte Männer sind vergleichsweise selten in der Kunst. Foto: Helmut (Gemälde geblurt)

Zwei Stunden hatten die Naturisten Zeit, sich in der Ausstellung umzusehen und zu informieren, bevor sie angesichts der inzwischen auf 1° gesunkenen Außentemperatur wieder in ihre Kleider stiegen. Mehr als dreißig der Naturisten nutzten noch einen Besuch im benachbarten Lokal „Lux“, um sich bei einem Getränk über das gerade Erlebte oder auch andere Themen der anstehenden Naturisten-Saison 2024 auszutauschen.
– Helmut