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Naked Tour in der Kunsthal Rotterdam

Kunsthal

9 Fotos im Artikel

Die Kunsthal Rotterdam hatte auch in diesem Jahr wieder zu einer „Naked Tour“ durch ihre aktuelle Ausstellung ⤷ „YES TO ALL“ der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury (*1961 in Genf) geladen. Die 120 Tickets waren beim Online-Verkauf innerhalb von 5 Minuten ausverkauft, so dass die Kunsthal aufgrund der großen Nachfrage noch einen zweiten „Naked Tour“ Termin am 7. Juni anbot.

1(9): Nach der Begrüßung im Vortragssaal der Kunsthalle fanden sich die Besucher in 5 Gruppen zu Führungen zusammen.
1(9): Einteilen der Besucher in 5 Gruppen

Sylvie Fleury stellt in ihren Installationen vor allem die kulturellen Konstrukte der Geschlechterstereotypen in Frage. (Zitate von der Kunsthal-Website sind in brauner Schrift dargestellt.) Zum typisch weiblichen Klischee gehören natürlich Stöckelschuhe, von denen sie eine besonders ausgefallene Sammlung zusammengestellt hat.

2(9): Eine ausgefallene Sammlung extremer Stöckelschuhe bildet einen Teil des weiblichen Stereotyps ab, das in unserer Gesellschaft allgegenwärtig ist.
2(9): Typisch weiblich: Stöckelschuhe

Ebenso gehören die „Heißen Höschen“ zu den weiblichen Utensilien, aus denen schlanke, lange Beine verführerisch herausragen. In der Ausstellungshalle strecken sie sich in elegantem Violett in die Höhe, dafür kommt die Skulptur ohne Oberkörper aus.

3(9): Aus weißen Hotpants ragen in schickes Violett eingefärbte Beine in die Höhe.
3(9): Hotpants und violette Beine

Mit lebendigen Farben, auffälligen Materialien und überraschenden Widersprüchen wirft Fleury ein Schlaglicht auf die Geschlechterstereotypen und unrealistischen Schönheitsideale, die in unserer Gesellschaft vorherrschen. Sie dekonstruiert die Erwartungen, die wir an Frauen in Bezug auf ihr Aussehen und ihr Verhalten stellen, und alles, was damit zusammenhängt.

Als männliches Symbol dominiert natürlich das Auto. Ein Coupé aus der klassischen Straßenkreuzer-Epoche (siehe Foto 2(9) „Stöckelschuhe“) ist in der Ausstellungshalle ein Blickfang, ebenso wie silberglänzende Motoren und goldene Autoreifen.

5(9): Autos, Motorräder, Raketen, goldene Autoreifen - die kontrastierende Symbolwelt der Männlichkeit ist ebenso reich wie die weibliche.
5(9): Symbolwelt der Männlichkeit

Die Absicht Sylvie Fleury’s, derlei Stereotypen nicht einfach darzustellen sondern auch in Frage zu stellen, zeigt sich in drei demolierten Prachtkarossen, die auf dem Vorplatz der Kunsthal neben der Straße stehen. Hier schlendern oder radeln auch die Rotterdamer vorbei und werden durch diese Exponate auf die Ausstellung aufmerksam gemacht – zumal sie durch die großflächigen Fenster auch den (heute nackten) Besuchern im Innern der Kunsthal dabei zuschauen können, wie sie die Ausstellung durchwandern.

6(9): Demolierte Karossen ehemaliger Luxusautos auf dem Vorplaz der Kunsthal ziehen die Blicke der Rotterdamer Passanten an.
6(9): Demolierte Karossen in Blutrot

Fleury stellt darüber hinaus die Vorstellung in Frage, dass die Raumfahrt auch ein männlich dominiertes Feld ist. In ihrer Serie „First Spaceship on Venus“, die mal stolz aufrecht und aus Stahl gefertigt, mal schlaff und in die Ecke gedrängt ist, hebt sie die phallische Symbolik von Raketen hervor.

8(9): In ihrer Serie „First Spaceship on Venus“, die mal stolz aufrecht und aus Stahl gefertigt, mal schlaff und in die Ecke gedrängt ist, hebt sie die phallische Symbolik von Raketen hervor.
8(9): „First Spaceship on Venus“

Zahlreiche weitere Kunstobjekte und viele Video-Installationen warten noch auf die Besucher der Kunsthal-Ausstellung „YES TO ALL“.
– Helmut

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Nackt in der Kunsthalle Rotterdam

Kunsthal

Zum achten Mal: Naked Tour in der Kunsthal Rotterdam [05.04.23]

Nach dem Erfolg der besonderen Abendöffnungen ohne Kleidung in den Ausstellungen
► Robert Mapplethorpe, ein Perfektionist, 2017,
► Hyperrealismus-Skulptur, 2018,
► Joana Vansconcelos. I’m Your Mirror, 2019,
► Extra Large, 2020,
► We Are Animals, 2021,
► Calder Now, 2022,
► Tim Walker: Wonderful Things, 2023,
organisierte die Kunsthal Rotterdam am 1. April 2023 zum achten Mal eine Naked Tour. Diesmal ging es durch die Ausstellung
Patricia Piccinini, Metamorphosis.

Metamorphosis ist die erste große Einzelausstellung der australischen Künstlerin in den Niederlanden. So wiedererkennbar, so liebenswert und doch so seltsam! Begegnen Sie hyperrealistischen Skulpturen. Treffen Sie Hybriden zwischen Menschen und Tieren; pelzige, freundliche Kreaturen, die sich umarmen, und faszinierende Wesen, die Sie noch nie zuvor gesehen haben – die Sie aber wiederzuerkennen glauben. Lassen Sie sich von Piccininis surrealistischer Fantasiewelt überraschen. Sehen und erleben Sie alles … nackt! – Quelle: Kunsthal Rotterdam, übersetzt

1(23) Naked Tour durch die Ausstellung Metamorphosis1(23) Naked Tour durch die Ausstellung Metamorphosis

Patricia Piccinini selbst sagt zur Motivation Ihres künstlerischen Schaffens: „Ich bin an Beziehungen interessiert. Die Beziehung zwischen dem Künstlichen und dem Natürlichen. Zwischen dem Menschen und der Umwelt. Die Beziehung zwischen Wesen, innerhalb von Familien und zwischen Fremden. Im Laufe der Jahre habe ich mir eine Art alternative Welt aufgebaut. Sie besteht aus Momenten, Objekten und Bildern, die sich mit der realen Welt überschneiden; in einer Welt, in der sich das Kulturelle und das Natürliche, das Technische und das Organische immer mehr vermischen. Die Wildnis ist mein Universum. Es ist ein Ort, an dem die Technologie so selbstverständlich geworden ist, dass sie ein Eigenleben entwickelt.“ – Quelle: Kunsthal Rotterdam, übersetzt

The Field

6(23) In dem Feld mit hochstängeligen Phantasie-Pflanzen sind vereinzelt Skulpturen zu entdecken6(23) In dem Feld mit hochstängeligen Phantasie-Pflanzen sind vereinzelt Skulpturen zu entdecken

Die Künstlerin füllt einen dunklen Raum mit metamorphen, vollständig weißgrauer Blumen – mit echten und erfundenen Körperteilen verschiedener Arten als Blütenblätter auf Stängeln. Dazwischen ein Zelt, in dem ein Liebespaar liegt. Zuerst wirkt es wie gewohnt, bis die Krallen an den Fingern und Zehen auffallen. Die Blumen wirken fremd, vielleicht sogar befremdlich. Dazwischen sind seltsame, teils irgendwie menschlich, teils fremdartig und rätselhaft wirkende Wesen zu finden. Dennoch spürt und erlebt der Betrachter eine ruhige, freundliche Atmosphäre.

Sanctuary

Sanctuary
Dies ist ein Deep Link zur Site der Kunsthal Rotterdam (keine Kopie)
URL: https://www.kunsthal.nl/nl/plan-je-bezoek/tentoonstellingen/patricia-piccinini/

Diese freundliche Stimmung in einer seltsamen, ungewöhnlichen Welt bestätigt ein nacktes Paar, das bekannt und gleichzeitig ungewöhnlich wirkt.
Das Paar wirkt so lebensecht, aber gleichzeitig so seltsam und normal, dass es eine der Hauptattraktionen der Naked Tour war. Viele machten mit Genuss Selfies mit dem ungewöhnlichen Paar.

12(23) Erinnerungsfoto
12(23) Erinnerungsfoto

Egg men

Eine Installation in einem höhlenartigen Raum vereint einige Egg Men mit hängenden Skulpturen. Beide sind fantastische Mischformen:
Die Egg Men [de: Eier-Männer] hocken auf z.T. erkennbaren Fragmenten von Cowboystiefeln, sind ohne Beine, haben am Bauch einen Beutel wie ein Känguru, der mit Vogeleiern gefüllt ist. Auch sie wirken seltsam und gleichzeitig freundlich und sympathisch.
An Stangen entlang der Wand hängen von Fledermäusen und Pilzen inspirierte metamorphe Gebilde aus Porzellan.
Ein fotografierender Besucher wird temporär zum Teil der Installation.

14(23) Im Raum der Eiermänner14(23) Im Raum der Eiermänner

Future families

Ein weiblicher Affe – traurig blickend – hält zärtlich fürsorgend ein menschliches Baby im Windeln in den Armen. Die Skulptur beruht auf einer echten Begebenheit in Australien, die dort durch die Presse ging: Ein Affenweibchen hatte sein Baby verloren und aus Trauer stahl daraufhin ein menschliches Baby aus einem Kinderwagen als „Ersatz“. In der Ausstellung heißt es dazu (übersetzt):

„Zukünftige Familien
Samen, Puppen, Bestäubung, Eier, schlüpfende und säugende Körper: Piccinini beklagt zwar den Verlust von Arten und Vielfalt, huldigt aber auch der Natur selbst. Ihr Werk zelebriert die Vielfalt der wunderbaren Systeme der Fortpflanzung, der Pflege und der Lebensspendung. Piccinini bietet einen alternativen Blick auf den Kreislauf des Lebens.
Ihre Arbeiten vermitteln ein Gleichgewicht zwischen beunruhigenden Reflexionen einerseits und hoffnungsvollen Erwartungen für die Zukunft andererseits. Eine Zukunft, in der liebevolle Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den verschiedenen Arten zulässig sind und in der sich die menschlichen Geschlechterrollen und Familienstrukturen unter dem Einfluss der neuen technologischen Entwicklungen verändern.“

16(23) Ein menschliches Baby in Windeln liegt im Arm einer Äffin16(23) Ein menschliches Baby in Windeln liegt im Arm einer Äffin

Welcome Guests

Kinder in ungewöhnlichen Situationen mit Tieren: Ein Kind im Bett stehend in Begegnung mit einem freundlich wirkenden Fabelwesen und einem männlichen Pfau (nicht Rad schlagend) am Bettende, ein Mädchen auf einem Stuhl hockend mit einem Raubvogel auf einer ihrer Schultern hockend. In der Ausstellung wird dazu angemerkt (übersetzt):

„Willkommene Gäste
‚Schönheit ist überall ein willkommener Gast‘ ist ein Goethe-Zitat, das Piccinini auch in ihrem Werk immer wieder aufgreift. Nehmen Sie den Pfauenschweif: Er ist zwar groß und unpraktisch, um ihn den ganzen Tag mit sich herumzuschleppen, aber er ist auch unglaublich schön anzusehen. Für den Pfau ist diese auffallende Schönheit an sich das höchste Ziel, das, wofür er schließlich belohnt werden wird. Piccinini weist darauf hin, dass, wenn Schönheit für die Natur gut genug ist, wir vielleicht aufhören sollten, den praktischen Nutzen zu optimieren, und anfangen sollten zu erkennen, dass sie auch für uns gut genug sein kann.
Die Besucher werden in Szenen eingeladen, die von Kindern und – manchmal unbekannten – Tieren bewohnt werden. Aus der Ferne mögen diese Szenen unheimlich und gefährlich erscheinen, aber wer sich näher heranwagt, wird überrascht sein. Was zunächst bedrohlich erscheint, entpuppt sich aus der Nähe als freundlich und vertraut.“

18(23) Ein menschliches Kind kommuniziert mit einem fremd wirkenden Wesen18(23) Ein menschliches Kind kommuniziert mit einem fremd wirkenden Wesen

Artificial Naturalness

Viele von Piccininis Werken führen den Betrachter in eine Welt von Wesen, die nicht nur als Ausstellungsstück, sondern auch in der dargebotenen Wirklichkeit künstlich geschaffen worden sind bzw. ab jetzt sein werden (künstliche Natürlichkeit) – übrigens trotz ihrer positiven Aussagen über den und Darstellungen vom hoffnungsvollen Charakter der wiedergegebenen Beziehungen eine unserer Ansicht nach möglicherweise recht gefährliche, künftige Entwicklung. In der Ausstellung wird hierzu angemerkt (übersetzt):
„Künstliche Natürlichkeit
Technologie war schon immer ein Teil des menschlichen Lebens. Die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz und der biotechnologischen Forschung bieten uns die Möglichkeit, Leben auf neue Weise zu erschaffen und zu bestimmen, wie es aussehen könnte. Organe und sogar völlig neue Organismen können jetzt in Petrischalen hergestellt werden. Herzschrittmacher und elektronische Chips können in den menschlichen Körper integriert werden, um dessen Funktion zu verbessern. Heute ist es unmöglich zu bestimmen, wo das Natürliche endet und das Künstliche beginnt. In ihren Werken lässt Piccinini die Grenzen zwischen organischen und technologischen Körpern verschwimmen.“

20(23) Schweinische und menschliche Züge harmonieren20(23) Schweinische und menschliche Züge harmonieren

Rainer